Der BGH hat entschieden, dass es sich, wenn minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, grundsätzlich um eine reine Gefälligkeit im außerrechtlichen Bereich handelt, sodass Aufwendungsersatzansprüche gegen den Verein ausscheiden.
Dies gelte auch im Verhältnis zum Sportverein, so der BGH.
Die Parteien streiten um den Ersatz von Schäden, die die Klägerin bei einem Verkehrsunfall erlitten hat. Die Enkelin der Klägerin spielt in der Mädchen-Fußballmannschaft des beklagten Vereins. Die Mannschaft nahm am 09.01.2011 in B. an der Hallenkreismeisterschaft teil. Die Klägerin, die ihre Enkelin zu dieser Veranstaltung bringen wollte, verunfallte mit ihrem PKW auf der Fahrt nach B. und zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Die A. Versicherungs-AG, bei der der Beklagte eine Sportversicherung unterhält, lehnte die bei ihr angemeldeten Ansprüche der Klägerin ab. Nach den Versicherungsbedingungen würden nur Vereinsmitglieder und zur Durchführung versicherter Veranstaltungen “offiziell eingesetzte” Helfer Versicherungsschutz genießen; zu diesem Personenkreis gehöre die Klägerin jedoch nicht. Die Klägerin hat daraufhin den Beklagten auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten – unter Zurückweisung der Berufung bezüglich des begehrten Schmerzensgeldes – zur Zahlung von 2.811,63 Euro nebst Zinsen verurteilt.
Der BGH hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, aufgehoben und das klagabweisende landgerichtliche Urteil bestätigt.
Nach Auffassung des BGH ist in der Senatsrechtsprechung im Bereich der rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse zwischen einem Auftrags- und einem Gefälligkeitsverhältnis zu unterscheiden. Ob jemand für einen anderen ein Geschäft i.S.d. § 662 BGB besorge oder jemandem nur eine (außerrechtliche) Gefälligkeit erweise, hänge vom Rechtsbindungswillen ab. Maßgeblich sei insoweit, wie sich dem objektiven Beobachter – nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte – das Handeln des Leistenden darstellt. Eine vertragliche Bindung werde insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar sei, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Leistungszusage verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat. Sei dies hingegen nicht der Fall, könne dem Handeln der Beteiligten nur unter besonderen Umständen ein rechtlicher Bindungswillen zugrunde gelegt werden. Ein Bindungswille werde deshalb in der Regel beim sog. Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens, bei Zusagen im gesellschaftlichen Bereich oder bei Vorgängen, die diesen ähnlich sind, zu verneinen sein. Genauso müsse, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, im Bereich der gesetzlichen Schuldverhältnisse zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff BGB und der (außerrechtlichen) Gefälligkeit ohne Auftrag unterschieden werden. Maßgeblich sei insoweit ebenfalls, wie sich dem objektiven Beobachter – nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte – das Handeln des Leistenden darstellt. Die Abgrenzung erfolge unter Berücksichtigung unter anderem der Art der Tätigkeit, ihrem Grund und Zweck, ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung für den Geschäftsherrn, der Umstände, unter denen sie erbracht wird, und der dabei entstehenden Interessenlage der Parteien. Gefälligkeiten des täglichen Lebens oder vergleichbare Vorgänge könnten insoweit regelmäßig den Tatbestand der §§ 677 ff BGB nicht erfüllen.
Die Klägerin habe im vorliegenden Fall ihre Enkelin nach B. fahren wollen, um dieser die Teilnahme an der Kreismeisterschaft zu ermöglichen. Dies sei aus Gefälligkeit gegenüber ihrer Enkelin beziehungsweise deren sorgeberechtigten Eltern geschehen. An dem Charakter der Fahrt als Gefälligkeit ändere sich nichts dadurch, dass der Transport nicht ausschließlich im alleinigen Interesse der Enkelin und ihrer Eltern, sondern auch im Interesse der Mannschaft und damit des beklagten Sportvereins gelegen habe. Der “Bringdienst” der minderjährigen Spielerinnen zu auswärtigen Spielen sei nach den tatrichterlichen Feststellungen Sache der Eltern beziehungsweise anderer Angehöriger oder Freunde gewesen. Die Klägerin habe im Rahmen ihrer Anhörungen vor den Instanzgerichten angegeben, die Kinder seien immer privat gefahren worden. Sie selbst habe viele Fahrten durchgeführt und dafür nie etwas bekommen. Wenn sie nicht gefahren wäre, hätte man den Transport innerhalb der Familie oder der übrigen Vereinsmitglieder so umorganisiert, dass eine andere Person ihre Enkelin gefahren hätte. Dieser übliche Ablauf spreche entscheidend dagegen, den auf freiwilliger Grundlage erfolgten Transport der Kinder zu Auswärtsspielen durch Personen aus ihrem persönlichen Umfeld als auf der Grundlage eines mit wechselseitigen Rechten und Pflichten ausgestalteten Schuldverhältnisses erbracht anzusehen. Vielmehr handele es sich, wenn minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – um eine reine Gefälligkeit, die sich im außerrechtlichen Bereich abspiele. Solange keine gegenteiligen Absprachen getroffen würden, schieden damit Aufwendungsersatzansprüche aus.
Quelle: BGH, Urteil vom 23.07.2015, AZ III ZR 346/14
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