Mit Urteil vom 15.12.2011 hat der BGH sei­ne Recht­spre­chung zur Wert­gren­ze des Merk­mals “in gro­ßem Aus­maß” im Rah­men des beson­ders schwe­ren Falls der Steu­er­hin­ter­zie­hung bestä­tigt und gleich­zei­tig prä­zi­siert. Bereits im Dezem­ber 2008 hat der Bun­des­ge­richts­hof (BGH, Urteil vom 02.12.2008, Az. 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 81) aus­ge­führt, dass sich das Merk­mal “in gro­ßem Aus­maß” im Regel­bei­spiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO nach objek­ti­ven Maß­stä­ben bestimmt.

Die­se Recht­spre­chung wird vom BGH noch­mals aus­drück­lich bestä­tigt und sodann prä­zi­siert. Grund­sätz­lich ist das Merk­mal erfüllt, wenn der Hin­ter­zie­hungs­be­trag 50.000,00 € über­steigt. Die­se Betrags­gren­ze kommt zur Anwen­dung, wenn der Täter unge­recht­fer­tig­te Zah­lun­gen vom Finanz­amt erlangt hat (z.B. bei Steu­er­erstat­tun­gen durch Umsatz­steu­er­ka­rus­sel­le, Ket­ten­ge­schäf­te oder durch Ein­schal­tung von sog. Ser­vice­un­ter­neh­men). Ist die Wert­gren­ze über­schrit­ten ist das Merk­mal erfüllt.

Die Bestim­mung des Vor­lie­gens des Merk­mals “in gro­ßem Aus­maß” ist nach Auf­fas­sung des BGH in drei Fall­va­ri­an­ten vor­zu­neh­men: Lässt der Steu­er­pflich­ti­ge die Finanz­be­hör­den pflicht­wid­rig über steu­er­lich erheb­li­che Tat­sa­chen in Unkennt­nis und kommt es dadurch ledig­lich zu einer Gefähr­dung des Steu­er­an­spruchs, liegt die Wert­gren­ze bei 100.000,00 €. Glei­ches gilt, wenn der Steu­er­pflich­ti­ge gegen­über den Finanz­be­hör­den Ein­künf­te oder Umsät­ze ver­schweigt und allein dadurch eine Gefähr­dung des Steu­er­an­spruchs her­bei­führt (vgl. BGH, Beschluss vom 12.07.2011, Az. 1 StR 81/11).

Anders ist die Sach­la­ge, wenn der Steu­er­pflich­ti­ge steu­er­min­dern­de Umstän­de vor­täuscht, indem er tat­säch­lich nicht vor­han­de­ne Betriebs­aus­ga­ben vor­täuscht oder nicht bestehen­de Vor­steu­er­be­trä­ge gel­tend macht. Da dies zu einer unbe­rech­tig­ten Steu­er­erstat­tung führt oder zum (schein­ba­ren) Erlö­schen einer bestehen­den Steu­er­for­de­rung führt, ist das Merk­mal “in gro­ßem Aus­maß” bei Über­schrei­ten der Wert­gren­ze von 50.000,00 € überschritten.

Tref­fen 1. (ver­heim­li­chen) und 2. (vor­täu­schen) zusam­men, ist das Merk­mal “in gro­ßem Aus­maß” jeden­falls dann erfüllt, wenn der Steu­er­pflich­ti­ge vom Finanz­amt unge­recht­fer­tig­te Zah­lun­gen von min­des­tens 50.000,00 € erlangt hat. Glei­ches gilt bei Ver­rech­nung eines schein­ba­ren Gut­ha­bens mit Steu­er­for­de­run­gen. Die Ver­rech­nung steht inso­weit einer Aus­zah­lung gleich. Erreicht das Vor­täu­schen von steu­er­min­dern­den Umstän­den für sich allein nicht den Betrag von min­des­tens 50.000,00 €, bleibt es ins­ge­samt beim Schwel­len­wert von 100.000,00 €. Abschlie­ßend stellt der BGH klar, dass die Schwel­le des “gro­ßen Aus­ma­ßes” für jeden Ver­an­la­gungs­zeit­raum geson­dert zu bestim­men ist.

Eine nach­träg­li­che “Scha­dens­wie­der­gut­ma­chung” hat für die Fra­ge, ob eine Steu­er­hin­ter­zie­hung “in gro­ßem Aus­maß” vor­liegt oder nicht kei­ne Bedeu­tung. Die­ser Umstand kann sich nur im Rah­men der Straf­zu­mes­sung für den Steu­er­pflich­ti­gen auswirken.

Fazit: Das Steu­er­straf­recht wird auch zukünf­tig das Merk­mal des “gro­ßen Aus­ma­ßes” an den bei­den Wert­gren­zen von 50.000,00 € und 100.000,00 € bestim­men. Ver­ein­facht besagt die Recht­spre­chung des BGH, dass bei “blo­ßem” Ver­schwei­gen von Ein­künf­ten die Wert­gren­ze bei 100.000,00 € liegt. Sobald ein Steu­er­pflich­ti­ger aber unbe­rech­tigt Geld von der Finanz­be­hör­de aus­be­zahlt erlangt, liegt die Gren­ze bei ledig­lich 50.000,00 €. Die Ent­schei­dung des BGH ist unter dem Aspekt zu begrü­ßen, dass nun­mehr kla­re und nach­voll­zieh­ba­re Vor­aus­set­zun­gen für das Merk­mal “in gro­ßem Aus­maß” geschaf­fen wurden.

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