Was ist bei einer Kündigung durch die Bausparkasse zu tun?
Bausparkassen kündigen ihren Kunden seit dem Jahr 2008 in mehreren Wellen insbesondere solche Bausparverträge, bei denen sie mit den Kunden hohe Guthabenzinsen vereinbart hatten. Ob sich Kunden dies gefallen lassen müssen oder gegen die Kündigung vorgehen sollten, erklärt der folgende Beitrag.
1. Das Problem der Bausparkassen ist hausgemacht
Viele Bausparkassen haben Verbrauchern aktiv Bausparverträge als Geldanlage verkauft (sogenannte Renditetarife). Zentrales Verkaufsargument war in diesen Fällen also nicht ein zinsgünstiges Darlehen, sondern ein höherer Zins bei Verzicht auf das Bauspardarlehen. In der Werbung von BHW hieß es beispielsweise: „Mit BHW Dispo maXX erzielen Sie bis zu 4,25% Guthabenzinsen bei Darlehensverzicht und mindestens sieben Jahren Laufzeit“ und „Mit BHW Dispo maXX haben Sie alle Freiheiten. Günstiges Baugeld oder hohe Rendite das entscheiden ganz allein Sie“. Noch heute werden Bausparverträge mit diesem zentralen Kundennutzen verkauft.
Bei derartiger Werbung haben Bausparverträge also nicht in alleinigen Zweck, ein Bauspardarlehen zu erreichen. Bausparverträge dienen auch der Erzielung einer Rendite zum Vermögensaufbau. Der Vertragsabschluss zu den Sparer allerdings mit Kosten verbunden. Er muss eine Abschlussgebühr bezahlen, und zwar auf die volle Bausparsumme, unabhängig davon, ob er später überhaupt ein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen möchte. Zusammengefasst: Bausparverträge wurden und werden auch als Geldanlage verkauft!
Die Bausparkassen haben die Tarife verkauft, ohne eine Vertragslaufzeit zu vereinbaren. Sie haben sich auch kein Kündigungsrecht vorbehalten, falls die Zinsen fallen. Kündigungen durch die Bausparkassen waren in der Vergangenheit nie ein Thema, weil die Bausparkassen jahrzehntelang durch die Hereinnahme von gering verzinsten Guthaben und Herausgabe höher verzinster Kredite Gewinne gemacht haben. Derzeit erwirtschaften die Bausparkassen mit einigen Verträgen allerdings Verluste. Diese Verluste aber sind hausgemacht. Niemand hatte die Bausparkassen gezwungen, die beworbenen Renditetarife zu verkaufen. Es ist auch kein Problem, dass alle Bausparkassen gleichermaßen betrifft.
Deshalb wollen die Bausparkassen die aus ihrer eigenen Geschäftspolitik resultierenden Gewinnschmälerungen durch Vertragskündigungen beseitigen. Für die ausgemachten Versäumnisse müssen aber die Eigentümer geradestehen und die Verluste dürfen nicht auf die Kunden abgewälzt werden.
2. Aktuell genannte Kündigungsgründe
Die Kunden dürfen grundsätzlich davon ausgehen, dass die Bausparkasse den Vertrag nicht einfach kündigen kann, solange der Vertrag nicht erfüllt ist. Von einem vollerfüllten Vertrag können Verbraucher erst ausgehen, wenn sie außer dem Recht auf Zinsen und Rückzahlung der Einlage sonst keine Rechte aus dem Vertrag mehr ableiten können. Wenn die Kunden also kein Bauspardarlehen mehr beanspruchen können und die vereinbarte Bausparsumme als Guthaben zur Verfügung steht, dann ist der Vertrag erfüllt und eine Kündigung der Bausparkasse nach dem allgemeinen Darlehensrecht des BGB möglich.
Ungeachtet dieser Sachlage führen Bausparkassen die unterschiedlichsten Kündigungsgründe an:
Kündigungsgrund 1: Die Bausparsumme ist in voller Höhe angespart
Das OLG Stuttgart (Beschluss vom 14.10.2011, Az. 9 U 151/11) hat entschieden, dass „die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen darf, wenn sie dadurch dem Bausparer den Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entzieht“. Wenn der Kunde nur noch das Recht auf Verzinsung und Rückzahlung hat (also kein Darlehensanspruch), dann ist seine Einlage im Grunde nichts anderes als ein Darlehen an die Bausparkasse mit festem Zinsen unbestimmter Laufzeit. Dann sind gesetzliche Regelungen zum Darlehensrecht anwendbar. Ein Kündigungsrecht kann sich aus § 488 Abs. 3 BGB ergeben, wonach beide Parteien zur Kündigung des Darlehensvertrages binnen einer Frist von drei Monaten berechtigt sind.
Räumt der Bauspartarif dem Kunden aber das Recht auf ein Bauspardarlehen ein, welches unabhängig von dem angesparten Guthaben ist, könnte argumentiert werden, dass das Darlehensrecht des BGB nicht anwendbar ist.
Kündigungsgrund 2: Kündigung 10 Jahre nach Erreichen der Zuteilungsvoraussetzungen
Das LG Mainz (Az. 5 O 1/14) hatte in einem verhandelten Fall ein Kündigungsrecht der Bausparkasse bejaht. Das Gericht ist der Auffassung, dass der Bausparvertrag auf die Erlangung eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparguthaben und vereinbarte Bausparsumme ausgelegt sei. Dass ein Darlehen über zehn Jahre hin nicht abgerufen wird, sei kein vertragsgemäßer, dauerhaft aufrecht zu erhaltender Zustand. Da der Bausparvertrag während der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren sei, stellten die Einlagen des Bausparers ein Darlehen an die Bausparkasse dar. Ein Kündigungsrecht leitete das Gericht aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ab.
Das Gericht geht irrtümlich in seiner Auslegung der Anspruchsvoraussetzung von einem vollständigen Empfang des Darlehens aus. Das Gericht meint, dass ein vollständiger Empfang des Darlehens aufgrund der strukturellen Eigenheiten des Bausparvertrages, dessen Vertragszweck die Darlehenserlangung sei schon bei Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife anzunehmen sei. Denn dann könne das Darlehen erstmalig erlangt werden.
Nach richtiger Auffassung ist der Vertragszweck aber das Erreichen der Bausparsumme. Wie Eingangs geschildert, wurden und werden Bausparverträge auch zu rentablen Geldanlage verkauft. Die Tatsache, dass alle Bausparkassen Tarife anbieten, die einen Zusatz „Rendite“(oder vergleichbare Bezeichnungen) beinhalten, widerspricht dem ausschließlichen Vertragszweck, ein Darlehen zu erlangen. Für diese Auslegung spricht zudem auch, dass der Preis für den Abschluss eines Bausparvertrags von der Bausparsumme abhängt und nicht vom für die Zuteilung erforderlichen Mindestsparguthaben.
Wenn nach den Bausparbedingungen der Vertrag nach Erreichen der Zuteilungsvoraussetzungen fortgesetzt wird, dann sind weitere Sparleistungen nichts anderes als eine weitere Darlehensgewährung des Bausparers an seine Bausparkasse. Diese dafür bis zur Erreichung der Bausparsumme vornehmen. Ein „vollständiger Empfang“ des Darlehens ist bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt.
Im Gegensatz zum LG Mainz argumentiert das OLG Stuttgart, dass ein Kündigungsrecht der Bausparkasse nicht besteht, solange der Kunde aus seinem Bausparvertrag noch ein Recht auf ein Bauspardarlehen geltend machen kann. Für diese Option auf ein Darlehen hat der Kunde seinerzeit die übliche Abschlussgebühr bezahlt und über viele Jahre eine niedrigere Verzinsung in Kauf genommen als zu dieser Zeit andere Sparverträge erwirtschaftet hätten.
Schließlich bestätigen die Bausparkassen jährlich nach Zinsgutschrift neue Salden, also neue, stetig steigende Darlehenssummen. Auch dies spricht da-gegen, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB „vollständiger Empfang“ erfüllt ist.
Kündigungsgrund 3: Bausparkasse kündigt Bausparvertrag ohne Regelbesparung
Die Bausparkasse argumentiert mit den im Einzelfall vereinbarten Bausparbedingungen. Im Abschnitt „Sparzahlungen“ des Vertrages findet sich dann in etwa die Vereinbarung, dass, wenn der Bausparer sechs Regelsparbeiträge unter Anrechnung von Sonderzahlungen nicht geleistet hat und er der schriftlichen Aufforderung der Bausparkasse zur Nachzahlung länger als zwei Monate nicht nachgekommen ist, die Bausparkasse den Bausparvertrag mit einer Frist von drei Monaten kündigen kann.
Die Vereinbarung erscheint zunächst klar und deutlich. Sie kann allerdings in Widerspruch zu den in der Werbung hervorgehobenen Vorteilen des Bausparens („flexibel“, „Ruhen lassen“) stehen. Wenn Bausparkassen damit werben, dass Verbraucher jederzeit flexibel Sparraten auch aussetzen können, dann ist eine Klausel, welche den Verbraucher vertraglich zu sparen verpflichtet, überraschend und somit unwirksam.
Wenn die Klausel eindeutig formuliert ist, wird es schwierig, sich gegen ein daraus abgeleitetes Kündigungsrecht zu wehren. Sie können sich aber gegen die Aufforderung wehren, Bausparbeiträge über Jahre hinweg nachzuzahlen. Die Bausparkasse könnte aus einer Klausel wie oben zitiert – wenn überhaupt – allenfalls die Nachzahlung von max. sechs Regelsparbeiträgen verlangen. Gerichtlich ist diese Frage aber noch nicht entschieden. In jedem Fall sollten die Regelungen des Tarifes überprüft werden. Sind die Vertragsbedingungen so klar wie obenstehend, sollte einer Aufforderung, die Regelbesparung sofort wieder aufzunehmen, allerdings nachgekommen werden, um der Bausparkasse keinen Kündigungsvorwand zu liefern und zugleich die hohe Verzinsung zu sichern.
Kündigungsgrund 4: Bausparkasse addiert Bonus zum Guthaben, um früher kündigen zu können
Die Bausparkasse leitet ihr Kündigungsrecht wie in Kündigungsgrund 1 beschrieben aus dem Darlehensrecht des BGB ab. Allerdings addiert sie zum Guthaben den Bonus. In der dadurch hervorgerufenen Konsequenz ist der Bausparvertrag früher überspart, und die Bausparkasse meint den Vertrag früher kündigen zu können.
Die Erfolgsaussichten sich gegen diesen Kündigungsgrund zu wehren hängen vom Wortlaut der Vertragsbedingungen des Einzelfalls ab solange der Verbraucher aus dem Vertrag noch das theoretische Recht auf ein Bauspardarlehen ableiten kann, kann die Bausparkasse nicht kündigen.
3. Weitere problematische Verhaltensweisen der Bausparkassen
Abseits der Kündigungen versuchen die Bausparkassen durch die nachfolgend dargestellten Verhaltensweisen eine Reduzierung der Zinszahlungen an Kunden mit gut verzinsen Bausparverträgen zu erreichen.
Überreden zum Tarifwechsel
Die Bausparkassen schreiben ihre Kunden an oder besuchen diese und legen den Abschluss von angeblich viel besseren neuen Verträgen nahe. Mit den neuen Verträgen würden die Kunden später für das gewünschte Darlehen einen deutlichen geringeren Zins bezahlen. Nach um Deckung in die „besseren“ Verträge erhalten die Kunden keinen Zinsbonus mehr.
Hierbei handelt es sich um eine dreiste Vorgehensweise der Bausparkassen in der Grauzone zur Falschberatung. Häufig bieten die neuen Verträge in Wahrheit viel schlechtere Konditionen, selbst wenn der Kunde dadurch ein Anspruch auf ein besonders „zinsgünstiges“ Darlehen erhalten hat. Denn bei einem Tarifwechsel verliert der Verbraucher in der Regel sein Anspruch auf die Bonus Zinsen und muss zum Teil auch ein Teil der Guthabenzinsen zurückzahlen (Tarifumwandlungsbetrag). Dieser Verlust ist nichts anderes als eine extra Gebühr für das Bauspardarlehen, die aber nicht im Effektivzins enthalten ist. Bei korrekter Berechnung verteuern sich somit manche Bauspardarlehen um mehrere Prozentpunkte. Die um Deckung von Guten in faktisch schlechtere Verträge stellt aber eine Falschberatung dar, die mit anwaltlicher Hilfe angegriffen werden sollte.
Bausparkasse verweigert Bonuszins bei übersparten Verträgen
Merkmal dieser Konstellation ist: Die Bausparkasse zahlt keine Bonuszinsen aus, wenn der Sparer mit seinen Einzahlungen ein Guthaben erreicht, welches die Bausparsumme übersteigt. Die Bausparkasse argumentiert hiermit den im Einzelfall vereinbarten Bausparbedingungen und behauptet, dass ein Bonuszins nur dann zu gewähren wäre, wenn Verbraucher noch auf ein Bauspardarlehen verzichten können.
Auch hiergegen sollten Kunden sich wehren. Die Aussichten sind gut, hängen aber auch vom konkreten Wortlaut der Bedingungen ab. Schützenhilfe leistet hierbei das OLG Stuttgart (Az. 9 O 151/11) mit folgender Klarstellung: „Wer also ein Bauspardarlehen nicht in Anspruch nimmt, sondern stattdessen Sparleistungen bis zur Bausparsumme erbringt, verzichtet faktisch auf ein Bauspardarlehen.“ Die weitere Besteuerung des Vertrags kommt also einem formalen Verzicht auf ein Bauspardarlehen gleich. Wenn der Bonus als Treueprämie bezeichnet wird, kann zudem noch argumentiert werden, dass gerade das Sparen bis zur vollständigen erreichen der Bausparsumme nichts anderes ist als die längstens mögliche Vertragstreue. Hierzu gibt es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung.
Bausparkasse verweigert die Annahme weiterer Sparleistungen
Die Bausparkasse behauptet, dass nach Erreichen des vertraglich vereinbarten Mindestsparguthaben jede weitere Sparleistung eine Sonderzahlung sei, die einer Zustimmung durch die Bausparkasse bedarf. Die Bausparkasse will einer Erhöhung des von ihr zu verzinsenden Guthaben entgegenwirken.
Hiergegen sollte man sich wehren! Die Erfolgsaussichten sind gut, insbesondere wenn es sich um Verträge handelt, die auch mit dem Argument einer attraktiven Bonusverzinsung als Geldanlage verkauft wurden. Höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es auch hierzu noch nicht.
4. So wehren sie sich
Die Bausparkassen verärgern mit ihrem Verhalten Tausende Kunden. Ihr Verhalten erschüttert das Vertrauen auf Vertragstreue. Sogar diejenigen, die nicht direkt betroffen sind, haben daher guten Grund, die Bausparkassen nun aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.
Hier sind einige Vorschläge, wie sie darauf reagieren können.
Unterschreiben Sie keinesfalls vorschnell einen Auszahlungsauftrag!
Bausparkassen legen bei Kündigung oder Androhung einer Kündigung ihren Schreiben oft einen separaten Auftrag auf Guthabenauszahlung bei, den sie unterschrieben zurückschicken sollen. Mit diesem Vorgehen will die Bausparkasse erzwingen, dass sie den Vertrag kündigen und nicht die Bausparkasse. Überlegen Sie sich, ob sie diesen Auftrag erteilen wollen. Wenn sie am Vertrag festhalten wollen, dann teilen Sie dies der Bausparkasse mit und erklären, dass sie Bauspardarlehen später in Anspruch nehmen wollen.
Behalten Sie sich alle Rechte vor
Ist die Rechtslage heute in Ihrem Fall noch nicht abschließend geklärt, dann weisen Sie Ihre Bausparkasse darauf hin, dass Sie sich alle Rechte vorbehalten für den Fall einer gerichtlichen Entscheidung. Kündige Bausparkasse und stellt ein Gericht später fest, dass die Bausparkasse in diesem Fall kein Kündigungsrecht hatte, dann können sie von der Bausparkasse Schadenersatz verlangen.
Prüfen Sie eine Klage gegen Ihre Bausparkasse!
Wenn Ihr Fall in eine der oben angeführten Kategorien passt, sollten Sie durch mich die Erfolgsaussichten einer Klage prüfen lassen.
Nutzen Sie Ihr Recht, Bauspardarlehen sofort zurückzuzahlen!
Sie können ein Bauspardarlehen jederzeit vollständig zurückzahlen. Dafür müssen Sie keine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen. Wie das geht? Wenn sie Geld verfügbar haben, überweisen Sie es einfach auf das Bauspardarlehenskonto. Wenn Sie keine Mittel übrig haben, sprechen Sie mit Ihrer Bank, ob eine Umschuldung möglich ist. Oft sind die Zinsen für Ratenkredite oder Eigenheimdarlehen aktuell niedriger als bei Bauspardarlehen.
Quelle: Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, www.vz-bawue.de/bausparkassen
Unsere Anwälte für Vertragsrecht und Zivilrecht in Fellbach, sind gerne für Sie da.