Der BGH hat­te sich erneut mit Fra­gen der Haf­tung wegen der Teil­nah­me an Inter­net-Tausch­bör­sen zu befas­sen. Der unter ande­rem für das Urhe­ber­recht zustän­di­ge I. Zivil­se­nat hat sich erneut mit Fra­gen der Haf­tung wegen der Teil­nah­me an Inter­net-Tausch­bör­sen befasst.

I ZR 272/14, I ZR 1/15 und I ZR 44/15

Die Klä­ge­rin­nen in den Ver­fah­ren I ZR 272/14, I ZR 1/15 und I ZR 44/15 haben die Ver­wer­tungs­rech­te an ver­schie­de­nen Film­wer­ken inne. Sie neh­men die jewei­li­gen Beklag­ten wegen der öffent­li­chen Zugäng­lich­ma­chung der jewei­li­gen Film­wer­ke im Wege des “File­sha­ring” über ihren Inter­net­an­schluss teils auf Scha­dens­er­satz (600 Euro je Film­ti­tel) sowie auf Ersatz von Abmahn­kos­ten in Anspruch, die sie im Ver­fah­ren I ZR 272/14 und I ZR 1/15 nach einem Gegen­stands­wert der Abmah­nung i.H.v. 10.000 Euro auf 506 Euro sowie im Ver­fah­ren I ZR 44/15 nach einem Gegen­stands­wert der Abmah­nung i.H.v. 30.000 Euro auf 1.005,40 Euro veranschlagen.
Das Beru­fungs­ge­richt hat­te die Kla­ge in den Ver­fah­ren I ZR 272/14 und I ZR 1/15 wegen des begehr­ten Scha­dens­er­sat­zes i.H.v. 600 Euro für begrün­det erach­tet und die Beklag­ten zudem in allen drei Ver­fah­ren zur Zah­lung von Abmahn­kos­ten i.H.v. 130,50 Euro ver­ur­teilt. Das Land­ge­richt hat­te ange­nom­men, der Gegen­stands­wert der vor­ge­richt­li­chen Abmah­nung belau­fe sich stets auf das Dop­pel­te des erstat­tungs­fä­hi­gen Lizenz­scha­dens­er­sat­zes, mit­hin vor­lie­gend auf 1.200 Euro.

Auf die Revi­si­on der Klä­ge­rin­nen hat der BGH die Urtei­le des Land­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Sachen zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Land­ge­richt zurückverwiesen.

Nach Auf­fas­sung des BGH ist das Land­ge­richt zu Unrecht davon aus­ge­gan­gen, der Gegen­stands­wert der anwalt­li­chen Abmah­nung belau­fe sich stets auf das Dop­pel­te des anzu­neh­men­den Lizenz­scha­dens. Viel­mehr sei der Gegen­stands­wert der Abmah­nung in Fäl­len der vor­lie­gen­den Art nach dem Inter­es­se der Klä­ge­rin­nen an der Unter­bin­dung künf­ti­ger Rechts­ver­let­zun­gen unter Berück­sich­ti­gung aller rele­van­ten Umstän­de des Ein­zel­falls zu bestim­men. Die vom Land­ge­richt vor­ge­nom­me­ne sche­ma­ti­sche Bemes­sung des Gegen­stands­werts wer­de dem Umstand nicht gerecht, dass die zukünf­ti­ge Bereit­stel­lung eines Werks in einer Inter­net-Tausch­bör­se nicht nur die Lizen­zie­rung des Werks, son­dern sei­ne kom­mer­zi­el­le Aus­wer­tung ins­ge­samt zu beein­träch­ti­gen dro­he. Die hier­nach für die Bemes­sung des Gegen­stands­werts erfor­der­li­chen tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen – etwa zum wirt­schaft­li­chen Wert des ver­letz­ten Rechts, zur Aktua­li­tät und Popu­la­ri­tät des Werks, zur Inten­si­tät und Dau­er der Rechts­ver­let­zung sowie zu sub­jek­ti­ven Umstän­den auf Sei­ten des Ver­let­zers – habe das Land­ge­richt bis­lang nicht getroffen.

I ZR 43/15

Die Klä­ge­rin im Ver­fah­ren I ZR 43/15 macht gel­tend, Inha­be­rin der Rech­te an einem Com­pu­ter­spiel zu sein. Sie nimmt den Beklag­ten wegen der öffent­li­chen Zugäng­lich­ma­chung des Com­pu­ter­spiels über sei­nen Inter­net­an­schluss auf Ersatz von Abmahn­kos­ten in Anspruch, die sie nach einem Gegen­stands­wert von 30.000 Euro auf 1.005,40 Euro ver­an­schlagt. Vor dem Amts­ge­richt hat­te die Kla­ge in Höhe eines Betra­ges von 39 Euro Erfolg. Das Land­ge­richt hat den Beklag­ten zur Zah­lung von Abmahn­kos­ten in Höhe von ins­ge­samt 192,90 € ver­ur­teilt. Auch hier hat das Land­ge­richt ange­nom­men, der Gegen­stand­wert der vor­ge­richt­li­chen Abmah­nung belau­fe sich stets auf das Dop­pel­te des erstat­tungs­fä­hi­gen Lizenz­scha­dens­er­sat­zes, mit­hin vor­lie­gend auf 2.000 Euro.

Auf die Revi­si­on der Klä­ge­rin hat der BGH aus den vor­ge­nann­ten Grün­den das Urteil des Land­ge­richts eben­falls auf­ge­ho­ben und die Sache zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Land­ge­richt zurückverwiesen.

I ZR 48/15

Die Klä­ge­rin­nen im Ver­fah­ren I ZR 48/15 sind füh­ren­de deut­sche Ton­trä­ger­her­stel­le­rin­nen. Sie neh­men den Beklag­ten als Inha­ber eines Inter­net­an­schlus­ses wegen der angeb­li­chen öffent­li­chen Zugäng­lich­ma­chung von 809 Audio­da­tei­en auf Scha­dens­er­satz sowie auf Ersatz von Abmahn­kos­ten in Anspruch. Der Beklag­te hat die Aktiv­le­gi­ti­ma­ti­on der Klä­ge­rin­nen, die Rich­tig­keit der Ermitt­lun­gen sowie sei­ne Täter­schaft bestrit­ten. Er hat dar­auf ver­wie­sen, dass auch sei­ne Ehe­frau und sei­ne damals 15 und 17 Jah­re alten Kin­der Zugriff auf die bei­den im Haus­halt genutz­ten Com­pu­ter mit Inter­net­zu­gang gehabt hät­ten. Das Land­ge­richt hat die Kla­ge abge­wie­sen. Das Ober­lan­des­ge­richt hat den Beklag­ten bis auf einen Teil der Abmahn­kos­ten antrags­ge­mäß verurteilt.

Der BGH hat die Revi­si­on des Beklag­ten im Wesent­li­chen zurückgewiesen.

Nach Auf­fas­sung des BGH hat das Beru­fungs­ge­richt zu Recht ange­nom­men, dass der Beklag­te für die öffent­li­che Zugäng­lich­ma­chung der Musik­auf­nah­men über sei­nen Inter­net­an­schluss haf­tet. Das Beru­fungs­ge­richt habe nach Durch­füh­rung der Beweis­auf­nah­me zu Recht ange­nom­men, die Ehe­frau des Beklag­ten schei­de als Täte­rin aus. Der Beklag­te habe wei­ter nicht hin­rei­chend kon­kret dazu vor­ge­tra­gen, dass sei­ne Kin­der ernst­haft als Täter der Rechts­ver­let­zung in Betracht kämen.

I ZR 86/15

Die Klä­ge­rin im Ver­fah­ren I ZR 86/15 ist Inha­be­rin der aus­schließ­li­chen Ver­wer­tungs­rech­te an dem Film “Sil­ver Linings Play­book”. Sie hat von der Beklag­ten als Inha­be­rin eines Inter­net­an­schlus­ses wegen der uner­laub­ten öffent­li­chen Zugäng­lich­ma­chung des Werks den Ersatz von Abmahn­kos­ten i.H.v. 755,80 Euro ver­langt. Die Beklag­te hat ein­ge­wandt, ihre in Aus­tra­li­en leben­de Nich­te und deren Lebens­ge­fähr­te hät­ten anläss­lich eines Besuchs mit­hil­fe des ihnen über­las­se­nen Pass­worts für den WLAN-Rou­ter die Ver­let­zungs­hand­lung begangen.
Das Amts­ge­richt hat­te die Kla­ge abge­wie­sen. Das Land­ge­richt hat­te die Beklag­te antrags­ge­mäß verurteilt.

Der BGH hat das die Kla­ge abwei­sen­de Urteil des Amts­ge­richts wiederhergestellt.

Nach Auf­fas­sung des BGH haf­tet die Beklag­te, ent­ge­gen der Ansicht des Beru­fungs­ge­richts, nicht als Stö­rer wegen von ihrer Nich­te und deren Lebens­ge­fähr­ten began­ge­ner Urhe­ber­rechts­ver­let­zun­gen auf Unter­las­sung. Als Grund für die Haf­tung kom­me vor­lie­gend nur in Betracht, dass die Beklag­te ihre Nich­te und deren Lebens­ge­fähr­ten nicht über die Rechts­wid­rig­keit der Teil­nah­me an Inter­net-Tausch­bör­sen belehrt habe. Der Beklag­ten sei eine ent­spre­chen­de Beleh­rung ohne kon­kre­te Anhalts­punk­te für eine rechts­wid­ri­ge Nut­zung des Inter­net­an­schlus­ses nicht zumut­bar gewe­sen. Den Inha­ber eines Inter­net­an­schlus­ses, der voll­jäh­ri­gen Mit­glie­dern sei­ner Wohn­ge­mein­schaft, sei­nen voll­jäh­ri­gen Besu­chern oder Gäs­ten einen Zugang zu sei­nem Inter­net­an­schluss ermög­li­che, tref­fe kei­ne anlass­lo­se Beleh­rungs- und Überwachungspflicht.

Quel­le: BGH, Urtei­le vom 12.05.2016, Az. I ZR 272/14, I ZR 1/15, I ZR 43/15, I ZR 44/15, I ZR 48/15, I ZR 86/15

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