Die Hin­zu­rech­nungs­vor­schrif­ten des Gewer­be­steu­er­ge­set­zes (§ 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG) sind vor­aus­sicht­lich nicht ver­fas­sungs­wid­rig. Dies hat der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) mit Beschluss vom 16. Okto­ber 2012 I B 128/12 entschieden.

Die Ent­schei­dung erging in einem Ver­fah­ren des vor­läu­fi­gen Rechts­schut­zes auf­grund „sum­ma­ri­scher Prü­fung“; der BFH hat danach kei­ne “ernst­li­chen Zwei­fel”, dass die Vor­schrift ver­fas­sungs­ge­mäß ist. Damit wider­spricht der BFH einer Ent­schei­dung des Finanz­ge­richts (FG) Ham­burg, das von der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit der Hin­zu­rech­nungs­vor­schrif­ten über­zeugt ist und des­we­gen durch einen viel­be­ach­te­ten Beschluss vom 29. Febru­ar 2012 1 K 138/10 das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) zur Durch­füh­rung einer Nor­men­kon­trol­le ange­ru­fen hat.

Der Streit­fall betraf eine GmbH, die ein Hotel betreibt und dar­aus Ver­lus­te erwirt­schaf­te­te. Sie wand­te Schuld­ent­gel­te in Höhe von rd. 50.000 €, Pacht­zin­sen für beweg­li­che Wirt­schafts­gü­ter in Höhe von rd. 9,4 Mio. € und für unbe­weg­li­che Wirt­schafts­gü­ter in Höhe von rd. 56 Mio. € sowie Lizenz­ge­büh­ren in Höhe von rd. 87.000 € auf. Die­se Auf­wen­dun­gen führ­ten bei der Ermitt­lung des Gewer­be­er­tra­ges zu Hin­zu­rech­nun­gen zum Gewinn in Höhe von ins­ge­samt 9,6 Mio. € und zu einem Gewer­be­steu­er­mess­be­trag von rd. 62.000 €.

Die Gewer­be­steu­er ist als sog. Real­steu­er eine finanz­ver­fas­sungs­recht­lich garan­tier­te kom­mu­na­le Steu­er. Grund­la­ge die­ser Steu­er ist wie bei der Ein­kom­men- und Kör­per­schaft­steu­er zunächst der Gewinn des Gewer­be­be­triebs. Um den Kom­mu­nen einer­seits einen Aus­gleich für die durch den Betrieb ver­ur­sach­ten Las­ten zu schaf­fen und ihnen ande­rer­seits ein mög­lichst ver­ste­tig­tes Steu­er­auf­kom­men zu sichern, wird die­ser Gewinn dann aber durch Hin­zu­rech­nun­gen und Kür­zun­gen modi­fi­ziert. Besteue­rungs­ge­gen­stand soll auf die­se Wei­se der Gewer­be­be­trieb als „Objekt“ sein.

Der Objekt­steu­er­cha­rak­ter ist in den letz­ten Jahr­zehn­ten aller­dings durch viel­fa­che Geset­zes­än­de­run­gen zurück­ge­drängt wor­den, um die Belas­tung der Unter­neh­men mit Sub­stanz­steu­er­ele­men­ten zu ver­min­dern. Das BVerfG spricht des­halb in stän­di­ger Spruch­pra­xis von einer „ertrags­ori­en­tier­ten Objekt­steu­er“, die aber nach wie vor den ver­fas­sungs­recht­li­chen Anfor­de­run­gen genüge.

Die­se Ein­schät­zung des BVerfG hat das FG Ham­burg durch sein Nor­men­kon­trol­ler­su­chen in Zwei­fel gezo­gen. Grund dafür gaben ihm die umge­stal­te­ten, seit 2008 anzu­wen­den­den Hin­zu­rech­nungs­vor­schrif­ten in § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG. Danach ist dem Gewinn des Gewer­be­be­triebs ein Vier­tel der Schuld­ent­gel­te, ein Fünf­tel der Miet- und Pacht­zin­sen für die Benut­zung beweg­li­cher Wirt­schafts­gü­ter sowie die Hälf­te der Miet- und Pacht­zin­sen für die Benut­zung unbe­weg­li­cher Wirt­schafts­gü­ter hin­zu­zu­rech­nen, wenn sie zuvor als Betriebs­aus­ga­ben abge­zo­gen wor­den sind. Glei­ches gilt nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG für ein Vier­tel der Auf­wen­dun­gen für die zeit­lich befris­te­te Über­las­sung von Rech­ten. Das FG Ham­burg erkennt in die­sen Hin­zu­rech­nungs­vor­schrif­ten ins­be­son­de­re einen Ver­stoß gegen das Prin­zip der Besteue­rung nach der Leistungsfähigkeit.

Der BFH teilt die­se Über­zeu­gung ange­sichts der stän­di­gen Spruch­pra­xis des BVerfG nicht. Er geht viel­mehr davon aus, dass das Nor­men­kon­trol­ler­su­chen „offen­sicht­lich“ erfolg­los blei­ben wird. Die ein­schlä­gi­gen Steu­er­be­schei­de der Finanz­äm­ter sind des­halb unein­ge­schränkt voll­zieh­bar. Vor­läu­fi­gen Rechts­schutz gewährt der BFH nicht. Die Ent­schei­dung des BVerfG wird durch den Beschluss des BFH aller­dings nicht vorweggenommen.

 

In einem wei­te­ren Urteil vom 20.09.2012 hat der BFH zudem die Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der für die Gewer­be­steu­er seit 2004 gel­ten­den Begren­zung der Ver­rech­nung von Ver­lus­ten (sog. Min­dest­be­steue­rung) bestä­tigt. In Jah­ren mit Gewin­nen über 1 Mio. € darf der dar­über hin­aus­ge­hen­de Gewinn nur bis zu 60 % um ver­blei­ben­de Ver­lust­vor­trä­ge gekürzt wer­den. Dadurch kommt es zur Stre­ckung der Ver­lust­ver­rech­nung über einen län­ge­ren Zeit­raum. Soll­te in Fol­ge­jah­ren bis zur Ein­stel­lung des Betriebs kein aus­rei­chen­der Gewinn zur Ver­rech­nung der gestreck­ten Ver­lust­vor­trä­ge erzielt wer­den, bleibt es bei der end­gül­ti­gen Besteue­rung im Jahr der Verrechnungsbegrenzung.

Dies hielt der BFH ins­be­son­de­re auch des­we­gen für mit dem Grund­ge­setz ver­ein­bar, weil bei der Gewer­be­steu­er ohne­hin sys­tem­be­dingt kein umfas­sen­der Ver­lust­aus­gleich mög­lich sei. Aller­dings beton­te der BFH in die­sem Urteil und in einem wei­te­ren Urteil vom glei­chen Tag (Az. IV R 29/10), dass er von der Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit nur des­halb aus­ge­he, weil in beson­de­ren Här­te­fäl­len Bil­lig­keits­maß­nah­men mög­lich sei­en. Kei­ne Bil­lig­keits­maß­nah­me sei aber gebo­ten, wenn die Besteue­rung und der end­gül­ti­ge Weg­fall der gestreck­ten Ver­lust­vor­trä­ge vom Unter­neh­mer selbst ver­an­lasst seien.

 

Das erst­ge­nann­te Urteil betraf eine Per­so­nen­ge­sell­schaft, die ein Flug­zeug ver­least hat­te. Bei Aus­lau­fen des Lea­sings war das Flug­zeug – wie von Anfang an geplant – ver­kauft wor­den und die Gesell­schaft hat­te ihre Tätig­keit ein­ge­stellt. Im Jahr des Ver­kaufs kam es zu einem Gewinn, der wegen der Rege­lung über die Min­dest­be­steue­rung nicht durch an sich in aus­rei­chen­der Höhe vor­han­de­ne Ver­lus­te aus Vor­jah­ren aus­ge­gli­chen wer­den konn­te. Die Ver­lus­te konn­ten auch spä­ter nicht mehr zum Aus­gleich von Gewin­nen genutzt wer­den, weil die Gesell­schaft ihre Tätig­keit mit dem Ver­kauf des Flug­zeugs been­det hat­te. Der BFH hielt den für das Jahr 2004 ergan­ge­nen Gewer­be­steu­er­mess­be­scheid für rechtmäßig.

Im zwei­ten Fall hat­te eine über­schul­de­te Per­so­nen­ge­sell­schaft nach Ein­stel­lung ihrer akti­ven Tätig­keit zur Ver­mei­dung eines Insol­venz­ver­fah­rens Gläu­bi­ger zum Ver­zicht auf ihre For­de­run­gen bewegt. Die­ser Ver­zicht führ­te zu einem Gewinn, der wegen der Min­dest­be­steue­rung nicht voll mit Ver­lus­ten aus­ge­gli­chen wer­den konn­te. Wegen Ein­stel­lung der Geschäfts­tä­tig­keit konn­te es zu einem spä­te­ren Aus­gleich der gestreck­ten Ver­lust­vor­trä­ge nicht mehr kom­men. Das Unter­neh­men hat­te sich schließ­lich mit der Recht­mä­ßig­keit der Steu­er­fest­set­zun­gen abge­fun­den, aber dann eine Bil­lig­keits­maß­nah­me bean­tragt. Eine sol­che konn­te nach Mei­nung des BFH nicht bean­sprucht wer­den, weil das Unter­neh­men durch den von ihm ange­reg­ten Dar­le­hens­ver­zicht selbst die Ursa­che für den ansons­ten nicht ent­stan­de­nen Gewinn gesetzt habe.

Quel­len:

BFH, Beschluss vom 16.10.2012, Az. I B 128/12
BFH, Urteil vom 20.09.2012, Az. IV R 29/10, IV R 36/10