Auch bei einer gewerbs­mä­ßi­gen Hin­ter­zie­hung von Ein­fuhr- oder Aus­fuhr­ab­ga­ben nach § 373 AO in Mil­lio­nen­hö­he kommt eine zwei Jah­re nicht über­schrei­ten­de Frei­heits­stra­fe nur bei Vor­lie­gen beson­ders gewich­ti­ger Mil­de­rungs­grün­de in Betracht. Im fol­gen­den Bei­trag: BGH: Aus­set­zungs­fä­hi­ge Bewäh­rungs­stra­fe bei Steu­er­hin­ter­zie­hung in Mil­lio­nen­hö­he, erfah­ren Sie mehr darüber:

Sowohl beim Schmug­gel nach § 373 AO wie auch bei der Steu­er­hin­ter­zie­hung nach § 370 AO ist es dabei ohne Bedeu­tung, ob die Mil­lio­nen­gren­ze durch eine ein­zel­ne Tat oder erst durch meh­re­re gleich­ge­la­ger­te Ein­zel­ta­ten erreicht wor­den ist.

BGH; Urteil vom 22.05.2012 – 1 StR 103/12

Sach­ver­halt

Die bei­den Ange­klag­ten haben nach­ge­bau­te IPho­nes und MP-Play­er aus Chi­na per See- oder Luft­fracht nach Deutsch­land ein­ge­führt, ohne die hier­auf anfal­len­de Ein­fuhr­um­satz­steu­er zu zah­len. Die Gerä­te waren bei der Ein­fuhr in funk­ti­ons­lo­se Netz­tei­le ver­packt und wur­den beim Zoll auch als sol­che dekla­riert. Nach der Ein­fuhr ver­kauf­ten Sie die­se „Unter­hal­tungs­elek­tro­nik“ über das Inter­net ohne die hier­auf ent­fal­len­de Umsatz­steu­er anzu­mel­den. Ins­ge­samt wur­de Umsatz­steu­er in Höhe von ins­ge­samt 1.088.933,86 € hinterzogen.

Das Land­ge­richt hat­te die Ange­klag­ten hier­für wegen gewerbs­mä­ßi­gen Schmug­gels (§ 373 Abs. 1 AO) zu Frei­heits­stra­fen von zwei Jah­ren und von einem Jahr und vier Mona­ten ver­ur­teilt sowie deren Voll­stre­ckung jeweils zur Bewäh­rung aus­ge­setzt. Die Staats­an­walt­schaft leg­te gegen das Urteil Revi­si­on ein.

Ent­schei­dung

Die Revi­si­on war erfolg­reich und führ­te zur Zurück­ver­wei­sung an das Land­ge­richt. Zur Straf­zu­mes­sung führ­te der BGH aus, dass die Annah­me min­der schwe­rer Fäl­le des Schmug­gels (§ 373 Abs. 1 Nr. 2 AO) bei einer Hin­ter­zie­hung von Ein­fuhr­ab­ga­ben in gro­ßem Aus­maß regel­mä­ßig aus­schei­det, weil es sich beim Schmug­gel um einen Qua­li­fi­ka­ti­ons­tat­be­stand der Steu­er­hin­ter­zie­hung (§ 370 AO) han­delt. Denn der Straf­rah­men des gewerbs­mä­ßi­gen, gewalt­sa­men oder ban­den­mä­ßi­gen Schmug­gels ent­spre­che dem der Steu­er­hin­ter­zie­hung im beson­ders schwe­ren Fall nach § 370 Abs. 3 AO. Wenn aber allein eine gewerbs- oder ban­den­mä­ßi­ge Bege­hung regel­mä­ßig einen sechs Mona­te über­stei­gen­den Straf­rah­men eröff­ne, kön­ne durch eine zugleich ver­wirk­lich­te Hin­ter­zie­hung „in gro­ßem Aus­maß“ ent­spre­chend der Recht­spre­chung zu § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO regel­mä­ßig kei­ne gerin­ge­re Frei­heits­stra­fe ver­wirkt sein.

Aus die­sem Umstand fol­gert der BGH, dass die Recht­spre­chung zur Straf­zu­mes­sung bei Hin­ter­zie­hung in Mil­lio­nen­hö­he auch auf Schmug­gel­ta­ten Anwen­dung fin­de. Dem­nach kom­me eine (aus­set­zungs­fä­hi­ge) Frei­heits­stra­fe von nicht mehr als zwei Jah­ren auch bei Schmug­gel nur bei Vor­lie­gen beson­ders gewich­ti­ger Mil­de­rungs­grün­de noch in Betracht. Dabei sei es für den Unrechts­ge­halt ohne Bedeu­tung, ob die Mil­lio­nen­gren­ze durch eine ein­zel­ne oder meh­re­re Taten erreicht wor­den ist und ob eine Gesamt­stra­fe zu bil­den ist.

Die Grund­sät­ze zur Straf­zu­mes­sung bei Steu­er­hin­ter­zie­hung in gro­ßem Aus­maß sei­en selbst dann zu beach­ten, wenn ledig­lich eine Bei­hil­fe zur Steu­er­hin­ter­zie­hung in Betracht kommt, sofern der Gesamt­ver­kür­zungs­um­fang der durch die Bei­hil­fe geför­der­ten Haupt­ta­ten die Betrags­gren­ze des Regel­bei­spiels „in gro­ßem Aus­maß“ übersteige.

Anschlie­ßend bestä­tigt der BGH sei­nen Beschluss vom 15.12.2011 (Az. 1 StR 579/11), nach dem das Regel­bei­spiel „in gro­ßem Aus­maß“ erfüllt sei, wenn der Hin­ter­zie­hungs­be­trag 50.000 € über­steigt. Beschrän­ke sich das Ver­hal­ten des Täters dar­auf, die Finanz­be­hör­den pflicht­wid­rig über steu­er­lich erheb­li­che Tat­sa­chen in Unkennt­nis zu las­sen und führt das ledig­lich zu einer Steu­er­ge­fähr­dung, lie­ge die Wert­gren­ze zum „gro­ßen Aus­maß“ bei 100.000,00 €.

Bei Hin­ter­zie­hungs­be­trä­gen in Mil­lio­nen­hö­he kommt eine zwei Jah­re nicht über­schrei­ten­de Frei­heits­stra­fe regel­mä­ßig nur bei Vor­lie­gen beson­ders gewich­ti­ger Mil­de­rungs­grün­de in Betracht (vgl. BGH, Urtei­le vom 02.12.2008, Az. 1 StR 416/08, vom 07.02.2012, Az. 1 StR 525/11). Das Vor­lie­gen sol­cher Mil­de­rungs­grün­de hat der BGH verneint.

Pra­xis­hin­weis

Mit der Ent­schei­dung führt der BGH kon­se­quent sei­ne mit Urteil vom 02.12.2008 (Az. 1 StR 416/08) begon­ne­ne Recht­spre­chung fort und bestä­tigt die seit­dem ergan­ge­nen Urtei­le nochmals.

Für den Schmug­gel stellt der BGH in Form eines obiter dic­tums klar, dass die von ihm im Urteil vom 07.02.2012 (Az. 1 StR 525/11) auf­ge­stell­ten Grund­sät­ze der Straf­zu­mes­sung bei Steu­er­hin­ter­zie­hung in Mil­lio­nen­hö­he eben­falls gelten.

Bemer­kens­wert ist, dass auch bei einer Bei­hil­fe die glei­chen Straf­zu­mes­sungs­grund­sät­ze anzu­wen­den sind. Ins­ge­samt ist mit höhe­ren und nicht mehr aus­set­zungs­fä­hi­gen Stra­fen zu rech­nen, nach­dem der BGH inzwi­schen mehr­fach erst­in­stanz­li­che Urtei­le wie­der kas­siert hat, in denen die Voll­stre­ckung der Stra­fe zur Bewäh­rung aus­ge­setzt wurde.