Der BFH hat ent­schie­den, dass die im Sanie­rungs­er­lass des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Finan­zen (BMF) vor­ge­se­he­ne Steu­er­be­güns­ti­gung von Sanie­rungs­ge­win­nen gegen den Grund­satz der Gesetz­mä­ßig­keit der Ver­wal­tung ver­stößt. Im fol­gen­den Bei­trag: BFH ver­wirft Sanie­rungs­er­lass des BMF, erfah­ren Sie mehr darüber:

Ein Sanie­rungs­ge­winn, der dadurch ent­steht, dass Schul­den zum Zwe­cke der Sanie­rung ganz oder teil­wei­se vom Gläu­bi­ger erlas­sen wer­den, erhöht das Betriebs­ver­mö­gen und ist grund­sätz­lich steu­er­bar. Bis zum Ver­an­la­gungs­zeit­raum 1997 waren Sanie­rungs­ge­win­ne nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. in vol­ler Höhe steu­er­frei. Vor­aus­set­zung war die Sanie­rungs­be­dürf­tig­keit des Unter­neh­mens, der vol­le oder teil­wei­se Erlass sei­ner Schul­den, die inso­weit bestehen­de Sanie­rungs­ab­sicht der Gläu­bi­ger sowie die Sanie­rungs­eig­nung des Schul­den­er­las­ses. Seit Auf­he­bung die­ser Vor­schrift durch das Gesetz zur Fort­set­zung der Unter­neh­mens­steu­er­re­form vom 29.10.1997 (BGBl I 1997, 2590) ist ein Sanie­rungs­ge­winn dem­ge­gen­über grund­sätz­lich steuerpflichtig.

Eine Steu­er­be­frei­ung sol­cher Sanie­rungs­ge­win­ne kann nur durch Bil­lig­keits­maß­nah­men im Ein­zel­fall erreicht wer­den. In dem Sanie­rungs­er­lass, der sich auf die Bil­lig­keits­re­ge­lun­gen der § 163 und § 227 AO stützt, hat das BMF in einer all­ge­mein­ver­bind­li­chen Ver­wal­tungs­an­wei­sung gere­gelt, dass Ertrag­steu­ern auf einen Sanie­rungs­ge­winn unter ähn­li­chen Vor­aus­set­zun­gen wie unter der frü­he­ren Rechts­la­ge erlas­sen wer­den kön­nen (BMF-Schrei­ben vom 27.03.2003 – IV A 6 S 2140 8/03 – BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schrei­ben vom 22.12.2009 – IV C 6 S 2140/07/10001–01 – BStBl I 2010, 18). Liegt ein Sanie­rungs­plan vor, wird davon aus­ge­gan­gen, dass die­se Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind. Eine Prü­fung im Ein­zel­fall, ob per­sön­li­che oder sach­li­che Bil­lig­keits­grün­de vor­lie­gen, fin­det nicht mehr statt.

Im Streit­fall ermit­tel­te der Klä­ger als Ein­zel­un­ter­neh­mer sei­nen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG. Er war mit sei­nem Betrieb über meh­re­re Jah­re mit Ver­lust tätig. Im Dezem­ber 2007 ver­zich­te­ten eine Spar­kas­se und eine Ban­ken­grup­pe auf “nicht bedien­ba­re For­de­run­gen”. Das für den Klä­ger zustän­di­ge Finanz­amt berück­sich­tig­te bei den Ein­künf­ten des Klä­gers aus Gewer­be­be­trieb auch die For­de­rungs­ver­zich­te der Ban­ken i.H.v. ca. 620.000 Euro und setz­te mit Steu­er­be­scheid vom 17.02.2009 Ein­kom­men­steu­er ent­spre­chend fest.
Der hier­ge­gen ein­ge­leg­te Ein­spruch hat­te kei­nen Erfolg. Der Klä­ger bean­trag­te zudem den “Erlass der Steu­ern für 2007 aus dem Sanie­rungs­ge­winn”. Auch die­sen Antrag lehn­te das Finanz­amt ab.

Mit Ein­spruchs­ent­schei­dung vom 18.04.2012 ent­schied das Finanz­amt, dass dem Klä­ger kein Bil­lig­keits­er­lass nach dem Sanie­rungs­er­lass zuste­he. Es feh­le ins­be­son­de­re an einer Sanie­rungs­eig­nung, da der Klä­ger auch im Fol­ge­jahr einen Ver­lust erlit­ten habe. Die Kla­ge zum Finanz­ge­richt hat­te kei­nen Erfolg. Im Revi­si­ons­ver­fah­ren, dem das BMF bei­getre­ten ist, leg­te der X. Senat des BFH dem Gro­ßen Senat die Fra­ge vor, ob der Sanie­rungs­er­lass gegen den Grund­satz der Gesetz­mä­ßig­keit der Ver­wal­tung verstößt.

Der Gro­ßen Senat des BFH hat ent­schie­den, dass der Sanie­rungs­er­lass gegen den Grund­satz der Gesetz­mä­ßig­keit der Ver­wal­tung verstößt.

Nach Auf­fas­sung des BFH hat der Gesetz­ge­ber im Jahr 1997 aus­drück­lich ent­schie­den, dass Sanie­rungs­ge­win­ne der Ein­kom­men- oder Kör­per­schaft­steu­er unter­lie­gen sol­len, indem er die bis dahin hier­für gel­ten­de gesetz­li­che Steu­er­be­frei­ung (§ 3 Nr. 66 EStG a.F.) abschaffte.

Der Finanz­ver­wal­tung sei es ver­wehrt, die­se Gewin­ne auf­grund eige­ner Ent­schei­dung gleich­wohl von der Besteue­rung zu befrei­en. Sie ver­sto­ße gegen den Grund­satz der Gesetz­mä­ßig­keit der Ver­wal­tung, indem sie mit dem Sanie­rungs­er­lass die Besteue­rung eines trotz Aus­schöp­fung der Ver­lust­ver­rech­nungs­mög­lich­kei­ten ver­blei­ben­den Sanie­rungs­ge­winns unter Bedin­gun­gen, die der dama­li­gen gesetz­li­chen Steu­er­be­frei­ung ähn­lich sei­en, all­ge­mein als sach­lich unbil­lig erklä­re und von der Besteue­rung ausnehme.

Die im Sanie­rungs­er­lass auf­ge­stell­ten Vor­aus­set­zun­gen für einen Steu­er­erlass aus Bil­lig­keits­grün­den beschrie­ben kei­nen Fall sach­li­cher Unbil­lig­keit i.S.d. §§ 163, 227 AO. Mit der Schaf­fung typi­sie­ren­der Rege­lun­gen für einen Steu­er­erlass außer­halb der nach §§ 163 und 227 AO im Ein­zel­fall mög­li­chen Bil­lig­keits­maß­nah­men neh­me das BMF eine struk­tu­rel­le Geset­zes­kor­rek­tur vor und ver­let­ze damit das sowohl ver­fas­sungs­recht­lich (Art. 20 Abs. 3 GG) als auch ein­fach­recht­lich (§ 85 Satz 1 AO) nor­mier­te Legalitätsprinzip.

Der Sanie­rungs­er­lass gewäh­re in wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten befind­li­chen Unter­neh­men eine steu­er­li­che Begüns­ti­gung. Dies beru­he dar­auf, dass die Gläu­bi­ger mit ihrem For­de­rungs­ver­zicht zu erken­nen geben, dass sie die Unter­neh­mens­sa­nie­rung für erfor­der­lich und die ergrif­fe­nen Maß­nah­men für erfolg­ver­spre­chend hal­ten. Das Bedürf­nis für die Begüns­ti­gung sei aus dem wirt­schafts- und arbeits­markt­po­li­ti­schen Inter­es­se am Erfolg der Unter­neh­mens­sa­nie­rung abge­lei­tet wor­den. Wich­tig sei und ist dies ins­be­son­de­re für insol­venz­ge­fähr­de­te Unter­neh­men gewesen.

Für den Erfolg des For­de­rungs­ver­zichts als Sanie­rungs­maß­nah­me kom­me es auch auf die Betei­li­gung des Steu­er­gläu­bi­gers an. Denn der aus betrieb­li­chen Grün­den vom Gläu­bi­ger erklär­te Ver­zicht auf eine betrieb­li­che Dar­le­hens­for­de­rung sei als Betriebs­ein­nah­me beim Schuld­ner zu erfas­sen. Damit füh­re der For­de­rungs­ver­zicht zu einem steu­er­pflich­ti­gen Gewinn. Die Besteue­rung die­ses Gewinns wer­de im Hin­blick auf das mit dem For­de­rungs­ver­zicht ver­folg­te Sanie­rungs­ziel teil­wei­se als pro­ble­ma­tisch ange­se­hen. In der Lite­ra­tur wer­de zudem dar­über dis­ku­tiert, ob die Steu­er­be­frei­ung für Sanie­rungs­ge­win­ne den Cha­rak­ter einer euro­pa­rechts­wid­ri­gen Bei­hil­fe in Form einer Steu­er­ver­güns­ti­gung aufweise.

Aus der Ent­schei­dung des Gro­ßen Senats fol­ge nicht, dass Bil­lig­keits­maß­nah­men auf der Grund­la­ge einer bun­des­weit gel­ten­den Ver­wal­tungs­an­wei­sung gene­rell unzu­läs­sig sei­en. Vor­aus­zu­set­zen sei nur, dass in jedem davon betrof­fe­nen Ein­zel­fall tat­säch­lich ein Bil­lig­keits­grund für die Aus­nah­me von der Besteue­rung vor­lie­ge. Die Ent­schei­dung des Gro­ßen Senats ste­he auch nicht einem im Ein­zel­fall mög­li­chen Erlass von Steu­ern auf einen Sanie­rungs­ge­winn aus per­sön­li­chen Bil­lig­keits­grün­den ent­ge­gen. Auf der Grund­la­ge des Beschlus­ses des Gro­ßen Senats sei davon aus­zu­ge­hen, dass finanz­ge­richt­li­che Kla­gen auf Gewäh­rung einer Steu­er­be­güns­ti­gung nach dem Sanie­rungs­er­lass kei­nen Erfolg mehr haben wer­den. Unbe­rührt blie­ben indi­vi­du­el­le Bil­lig­keits­maß­nah­men, die auf beson­de­ren, außer­halb des Sanie­rungs­er­las­ses lie­gen­den Grün­den des Ein­zel­falls wie etwa auf per­sön­li­chen Bil­lig­keits­grün­den beruhen.

Quel­le zum Bei­trag: BFH ver­wirft Sanie­rungs­er­lass des BMF – BFH, Urteil vom 28.11.2016, Az. GrS 1/15

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