Bedürftigentestament: Können Hartz-IV-Empfänger erben?
Wer bedürftig ist, erhält staatliche Leistungen. Doch bis es so weit ist, muss man zunächst nachweisen, dass man tatsächlich bedürftig ist, und dafür muss man eine akribische Prüfung über sich ergehen lassen.
Dabei muss man gegenüber dem Jobcenter, der für langzeitarbeitslose Menschen zuständigen Behörde, offenlegen, ob und welches Einkommen man hat und über wie viel Vermögen man verfügt. Je nachdem, erhält man staatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form von Arbeitslosengeld II, in der Umgangssprache auch Hartz IV genannt.
Nur wer über kein oder nur über ein geringes Einkommen oder Vermögen verfügt, erhält Hartz IV. Manchmal zahlen die Jobcenter diese staatliche Hilfe auch nur anteilig.
Hartz IV und erben: Rechnet das Jobcenter die Erbschaft auf den Regelsatz an?
Wer erbt, bevor er Hartz IV beantragt und erhält, dessen Erbschaft stuft das Jobcenter als Vermögen ein. Erbt man während man Hartz IV bezieht, gilt es als Einkommen. Dann rechnet das Jobcenter kleinere Geldbeträge auf die Leistung an und zieht sie von der Regelleistung ab. Größere Beträge können dazu führen, dass man seine ganze Leistung verliert. Dann muss man das Erbe erst aufbrauchen, bevor man erneuten Anspruch hat. In jedem Fall muss man eine Erbschaft beim Jobcenter angeben. Wer sie verheimlicht, riskiert, sanktioniert zu werden.
Wie können Hartz-IV-Empfänger oder überschuldete Menschen erben?
Diese Praxis und die ihnen zugrunde liegenden rechtlichen Vorgaben führen dazu, dass ein Hartz-IV-Empfänger kaum von einem Erbe profitieren kann. Das ist auch bei Überschuldeten so, deren Erbschaft in der Regel sofort die Gläubiger erhalten.
Um das zu verhindern, gestalten Erblasser, die einem Hartz-IV-Empfänger oder einem insolventen Menschen etwas vererben wollen, ihr Testament manchmal in einer besonderen Weise: Sie setzen ein sogenanntes Bedürftigentestament auf. Bedürftigentestamente sind eine Variante der sogenannten Behindertentestamente.
In einem Bedürftigentestament verfügen Erblasser besondere Vorgaben, über die ein bedürftiger Mensch erben kann, ohne dass er die Sozialleistung verliert, oder ohne dass der Nachlass bei den Gläubigern landet.
Um das zu erreichen, muss ein Erblasser den Bedürftigen im Testament einen Erbteil hinterlassen, der höher als der übliche Pflichtteil ist, also 30 bis 50 Prozent des Nachlasses. Dann sollte er den Bedürftigen als Vorerben einsetzen und eine nicht-befreite Vorerbschaft für ihn verfügen. Der Erbe kann dann nicht auf seinen ganzen Erbteil zugreifen, sondern nur die Erträge des Vermögens nutzen. Bei kleinen, nur aus Barvermögen bestehenden Erbschaften, bekommt der Erbe regelmäßig Geldbeträge daraus.
Zugleich mit dem Vorerben bestimmt ein Erblasser im Bedürftigentestament einen oder mehrere Nacherben. Ein Nacherbe ist die Person, die den Nachlass nach dem Tod des bedürftigen Erben erhält und diesen komplett nutzen kann.
Bedürftigentestament: Welche Rolle spielt die Dauertestamentsvollstreckung?
In einem zweiten Teil der Verfügung legt ein Erblasser einen Testamentsvollstrecker fest, der den Nachlass für den bedürftigen Erben verwaltet. Erblasser sollten wegen des vielleicht langen Zeitraums der Dauertestamentsvollstreckung mindestens einen weiteren Testamentsvollstrecker als Ersatz bestimmen.
Der Testamentsvollstrecker teilt dem bedürftigen Erben die Erträge aus dem Vermögen zu, so dass dieser damit zusätzliche Anschaffungen oder Aktivitäten finanzieren kann. Erblasser sollten aber detailliert aufschreiben, wofür der Erbe das Geld verwenden darf. Regelmäßig muss der Testamentsvollstrecker kontrollieren, ob sich der Erbe an die Vorgaben hält oder bezahlt die Anschaffungen oder Aktivitäten sogar direkt.
Bereits daran sieht man, dass ein Testamentsvollstrecker viel Macht über das Leben eines bedürftigen Erben hat, was Konflikte mit sich bringen kann. Um diese zu vermeiden, sollten Erblasser den Erben in die Entscheidung einbeziehen, wer Testamentsvollstrecker werden soll wie auch bei anderen Fragen zum Bedürftigentestament.
Bedürftigentestament: Welche Regeln greifen, wenn der Erbe einen Job findet?
Erblasser sollten auch darauf achten, dass die Verfügungen zur Vor- und Nacherbschaft nur bis zu dem Zeitpunkt gelten, bis zu dem der Erbe bedürftig ist. Denn es ist denkbar, dass ein Hartz-IV-Empfänger eine Arbeit findet und dann nicht mehr auf staatliche Hilfen angewiesen ist. Der Erblasser sollte im Bedürftigentestament festlegen, dass die Vor- und Nacherbschaft dann aufgelöst wird und die normalen Erbbedingungen greifen.
Welche formalen Kriterien oder Inhalte muss ein Bedürftigentestament aufweisen?
Bedürftigentestamente unterscheiden sich formal nicht von anderen Arten von Testamenten. Anders sieht es aber mit den Inhalten aus, denn diese sind umfangreicher als bei „normalen“ Testamenten und müssen mehr Szenarien und Bedingungen abdecken. Weil die Inhalte umfangreich und juristisch anspruchsvoll zu formulieren sind, sollten sich Erblasser von einem auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen.
Bedürftigentestamente sind umstritten
Bedürftigentestamente sind rechtlich wie auch allgemein umstritten. Denn fraglich ist, ob jemand, der erbt, zugleich staatliche Leistungen erhalten sollte.
Umstritten ist aber auch, ob Jobcenter Hartz-IV-Empfänger zwingen können, ein ihnen über ein Bedürftigentestament vermachtes Erbe auszuschlagen, was Praxis mancher Jobcentern ist. Schlägt ein Hartz-VI-Empfänger das Erbe aus, erhält er den gesetzlichen Pflichtteil. Diesen wiederum rechnen Jobcenter dann auf die Regelleistung an oder stellen diese komplett ein, wenn das Erbe groß ist.
Wer als Bedürftiger gar nicht in einem Testament bedacht wird, aber einen Pflichtteil beanspruchen darf, könnte diesen von sich aus ausschlagen, um ihn nicht für seinen Lebensunterhalt aufwenden zu müssen und ihn in der Familie zu halten. Aber solche Verzichte könnten sittenwidrig sein. Eine höchstrichterliche Einschätzung dessen steht allerdings noch aus – anders als bei Pflichtteilsverzichten behinderter Erben. Diese hat der Bundesgerichtshof 2011 in einem Urteil als legitim eingestuft (AZ: IV ZR 7/10).
Quelle für den Beitrag: Bedürftigentestament wegen Hartz 4 und Erbschaft – https://anwaltauskunft.de/magazin/geld/erben-vererben/1309/beduerftigentestament-koennen-hartz-iv-empfaenger-erben/
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