Der Ertei­lung einer umfas­sen­den Vor­sor­ge­voll­macht für einen Abkömm­ling liegt in der Regel ein Auf­trags­ver­hält­nis zu Grun­de, wenn der Vor­sor­ge­fall ein­ge­tre­ten ist und die Voll­macht ein­ge­setzt wird. Ein rei­nes Gefäl­lig­keits­ver­hält­nis statt eines Auf­trags ist nur in engen Aus­nah­me­fäl­len gegeben.

Die Erb­las­se­rin wur­de von ihren bei­den Töch­tern zu je 1/2 auf gesetz­li­cher Grund­la­ge beerbt. Der einen Toch­ter erteil­te die Erb­las­se­rin zunächst eine Bank­voll­macht, kur­ze Zeit spä­ter eine umfas­sen­de schrift­li­che Vor­sor­ge­voll­macht. Anschlie­ßend trat der Vor­sor­ge­fall ein, denn die Erb­las­se­rin konn­te aus gesund­heit­li­chen Grün­den selbst kei­ne Bank­ge­schäf­te mehr vor­neh­men. Die Bevoll­mäch­tig­te hob mit­tels der Vor­sor­ge­voll­macht unstrei­tig Geld vom Kon­to der Mut­ter ab. Die mit­er­ben­de Schwes­ter klag­te auf Erstat­tung der Geld­ab­he­bun­gen an den Nach­lass, den der Ver­bleib eines Teils der Gel­der war unge­wiss. Die Beklag­te ver­tei­dig­te sich damit, dass der erteil­ten Vor­sor­ge­voll­macht ein rei­nes Gefäl­lig­keits­ver­hält­nis zu Grun­de lag, wel­ches jeg­li­che Auskunfts‑, Rechen­schafts- und Ersatz­an­sprü­che aus­schlie­ße; die Klä­ge­rin trug dage­gen vor, dass hin­ter der Voll­macht ein Auf­trags­ver­hält­nis ste­he. Das LG gab der Zah­lungs­kla­ge statt. Die Beru­fung der Beklag­ten wies das OLG Schles­wig zurück.

Es führt aus, dass die zunächst ein­ge­räum­te Kon­to­voll­macht zusam­men mit der Ertei­lung der Vor­sor­ge­voll­macht mit ihren umfang­rei­chen Zugriffs­be­fug­nis­sen zu Guns­ten der bevoll­mäch­tig­ten Toch­ter regel­mä­ßig auf einem Auf­trags­ver­hält­nis gemäß §§ 662 ff. BGB grün­det. Ein Auf­trag ist gege­ben, sobald sich der Beauf­trag­te ver­pflich­tet, ein ihm vom Auf­trag­ge­ber über­tra­ge­nes Geschäft für die­sen unent­gelt­lich zu füh­ren. Ob ein Auf­trags- oder rei­nes Gefäl­lig­keits­ver­hält­nis ohne Rechts­bin­dungs­wil­len vor­liegt, ist mit­tels Aus­le­gung nach dem kon­kre­ten Ein­zel­fall und Treu und Glau­ben sowie unter Berück­sich­ti­gung der Umstän­de und Ver­kehrs­sit­te zu ermit­teln. Dabei ist auf einen objek­ti­ven Beob­ach­ter abzu­stel­len, der das Han­deln des Leis­ten­den aus sei­ner Sicht betrach­tet. Eine ver­trag­li­che Bin­dung ist ins­be­son­de­re dann gege­ben, wenn erkenn­bar ist, dass für den Leis­tungs­emp­fän­ger (= Voll­macht­ge­ber) wesent­li­che Inter­es­sen wirt­schaft­li­cher Art auf dem Spiel ste­hen und er sich auf die Zusa­ge des Leis­ten­den (= Bevoll­mäch­tig­ten) ver­lässt, oder wenn der Leis­ten­de an der Ange­le­gen­heit ein recht­li­ches oder wirt­schaft­li­ches Inter­es­se hat. Ist dies nicht der Fall, kann nur unter beson­de­ren Umstän­den ein recht­li­cher Bin­dungs­wil­le ange­nom­men wer­den. Der Bin­dungs­wil­le fehlt in der Regel bei Gefäl­lig­keits­hand­lun­gen des täg­li­chen Lebens, Zusa­gen im rein gesell­schaft­li­chen Ver­kehr oder bei ver­gleich­ba­ren Vorgängen.

Aus­ge­hend von die­sen Leit­li­ni­en führt der Senat aus, dass bei Ertei­lung einer umfas­sen­den Vor­sor­ge­voll­macht in der Regel kein blo­ßes Gefälligkeits‑, son­dern ein Auf­trags­ver­hält­nis anzu­neh­men ist. Selbst wenn grund­sätz­lich zwi­schen bevoll­mäch­tig­ten Ehe­part­nern regel­mä­ßig ein rei­nes Gefäl­lig­keits­ver­hält­nis anzu­neh­men sein wird, ist hin­ge­gen bei bevoll­mäch­tig­ten Kin­dern eine außer­or­dent­li­che Zurück­hal­tung bei der Ver­nei­nung eines Rechts­bin­dungs­wil­lens gebo­ten. Es bedarf kon­kre­ter Anhalts­punk­te dafür, dass auf­grund des beson­de­ren Ver­trau­ens kei­ner­lei Infor­ma­ti­ons­pflich­ten für den Bevoll­mäch­tig­ten bestehen sollen.

Im Rah­men der Annah­me eines beson­de­ren Ver­trau­ens­ver­hält­nis­ses zwi­schen Eltern und Kin­dern bei Ertei­lung einer Vor­sor­ge­voll­macht sind die Anfor­de­run­gen dar­in, dass nur ein rei­nes Gefäl­lig­keits- und kein Auf­trags­ver­hält­nis vor­liegt, sehr hoch. Allein das ver­wandt­schaft­li­che Ver­hält­nis zwi­schen Mut­ter und Toch­ter reicht hier­für nicht. Wenn die umfas­sen­de Vor­sor­ge­voll­macht mit einer Betreu­ungs­ver­fü­gung sogar schrift­lich erteilt wur­de, ist in der Regel belegt, dass hier ein Rechts­bin­dungs­wil­le als Basis dient. Eben­falls ist zu beach­ten, dass für die Erb­las­se­rin wesent­li­che Inter­es­sen wirt­schaft­li­cher Art auf dem Spiel stan­den, da mit­tels der Vor­sor­ge­voll­mach­ten umfas­sen­der Zugriff auf ihr Ver­mö­gen durch die Bevoll­mäch­tig­te Toch­ter mög­lich war. Dass die­se sich um die Erb­las­se­rin geküm­mert hat, begrün­det noch kein beson­de­res Ver­trau­ens­ver­hält­nis, auf­grund des­sen die ver­stor­be­ne Mut­ter auf Aus­kunfts­er­tei­lung, Rechen­schafts­le­gung und Her­aus­ga­be des Erlang­ten von vorn­her­ein ver­zich­ten woll­te. Der Ein­tritt des Vor­sor­ge­falls durch die Erkran­kung der Erb­las­se­rin zeigt eben­falls, dass deren wirt­schaft­li­che Inter­es­sen auf dem Spiel stan­den, zumal die Bevoll­mäch­tig­te nicht nur regel­mä­ßi­ge, klei­ne­re Bar­geld­ab­he­bun­gen (z.B. für wie­der­keh­ren­de Aus­ga­ben der Haus­halts­füh­rung) vor­nahm. Die Durch­füh­rung der gesam­ten Ver­mö­gens­sor­ge für die erkrank­te Erb­las­se­rin mit­tels der Vor­sor­ge­voll­macht und die dadurch eröff­ne­te Zugriffs­mög­lich­keit auf das kom­plet­te müt­ter­li­che Ver­mö­gen las­sen ein rei­nes Gefäl­lig­keits­ver­hält­nis zwi­schen Voll­macht­ge­be­rin und Toch­ter ent­fal­len, wes­halb die Beru­fung erfolg­los war.

Quel­le: OLG Schles­wig, Urteil vom 18.03.2014, Az. 3 U 50/13
Roth, NJW-Spe­zi­al 2014 ‚455

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