Das FG Kassel hat entschieden, dass bei einer Schenkung des leiblichen (biologischen) Vaters an seine leibliche Tochter bei der Schenkungsteuer die günstige Steuerklasse I mit dem persönlichen Freibetrag von 400.000 Euro auch dann eingreift, wenn der biologische Vater nicht gleichzeitig der rechtliche Vater ist.
Im Streitfall hatte der biologische Vater im Jahre 2016 seiner in 1987 geborenen Tochter einen Geldbetrag zugewandt. Die Tochter war innerhalb der Ehe ihrer leiblichen Mutter und deren Ehemann, bei dem es sich nicht um den biologischen Vater, sondern um den rechtlichen Vater handelt, geboren worden. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer unter Berücksichtigung der ungünstigen Steuerklasse III fest. Die gewünschte Anwendung der Steuerklasse I sei nicht möglich, da eine rechtliche Vaterschaft zum Ehemann der leiblichen Mutter bestehe, die zivilrechtlich die rechtliche Anerkennung der Vaterschaft des biologischen Vaters ausschließe.
Das FG Kassel hat der Klage stattgegeben.
Nach Auffassung des Finanzgerichts handelt es sich vorliegend um die Zuwendung an ein Kind i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Die vom Finanzamt vorgenommene, einschränkende Auslegung des Begriffs Kind auf Abkömmlinge eines Vaters i.S. § 1592 BGB sei weder nach Sinn und Zweck der Regelung noch vom Wortlaut her zwingend. Sie trage auch den Grundsätzen der Rechtsprechung des BVerfG sowie der aktuellen familienrechtlichen Entwicklung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nicht hinreichend Rechnung. Auch habe der Gesetzgeber im Jahre 2013 für den Bereich des Familienrechts durch Einfügung des § 1686a BGB den “leiblichen, nicht rechtlichen Vater” als eine Ausprägung der Vaterschaft anerkannt und ihm als biologischen Vater eigene Rechte zugesprochen. Auch unter Berücksichtigung der dieser Gesetzesänderung vorangegangen Rechtsprechungsentwicklung sei es sachgerecht, die zivilrechtliche Entwicklung auf den Bereich des Schenkungsteuerrechts zu übertragen.
Dass Pflegekinder nicht in die Steuerklasse I fallen, sei vorliegend nicht entscheidend. Die Ablehnung einer Gleichstellung von Pflegekindern mit Kindern i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG werde nämlich im Wesentlichen damit begründet, dass das Verhältnis eines Pflegekindes weder durch eine (natürliche) verwandtschaftliche Beziehung noch durch einen – der Abstammung gleichgesetzten – formellen Rechtsakt begründet sei. Demgegenüber sei im Streitfall die Berücksichtigung der beschenkten Tochter als Kind gerade wegen ihrer natürlichen verwandtschaftlichen Beziehungen zum Kläger geboten.
Das FG Kassel hat die Revision zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig, da Revision eingelegt wurde (Az. Des BFH: II R 5/17).
Quelle: FG Kassel vom 15.12.2016, Az. 1 K 1507/16
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