Leitsätze
- Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Ehegatten hat der Insolvenzverwalter keinen Anspruch gegen den anderen Ehegatten auf Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung, um den dem anderen Ehegatten zustehenden Verlustvortrag zu nutzen.
- Dem Anspruch auf Zustimmung steht die zusätzliche steuerliche Belastung des anderen Ehegatten entgegen, da dieser die Verlustvorträge nicht mehr zur Reduzierung seines ei-genen steuerlichen Einkommens verwenden kann.
- Auch die besonderen Wirkungen der ehelichen Lebensgemeinschaft (vgl. BGH, Urt. v. 18.05.2011 – XII ZR 67/09 – FamRZ 2012, 357) führen in dieser Konstellation zu keinem Anspruch auf Zustimmung. Denn die Nutzung des Verlustvortrages würde der Insolvenzmasse und damit den Gläubigern des insolventen Ehegatten und nicht dem Familienunterhalt zugutekommen.
Über das Vermögen der Ehefrau wurde am 06.07.2011 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und die Antragstellerin als Treuhänderin bestellt. Die Ehefrau selbst stellte Antrag auf Restschuldbefreiung. Über das Vermögen des Antragsgegners (Ehemann) wurde ein ebenfalls früher eröffnetes Regelinsolvenzverfahren Anfang 2012 beendet. Er selbst hatte in seinem Verfahren auch Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt. Der Ehemann hat noch vortragsfähige Verluste aus Gewerbetrieb seines in Insolvenz gefallenen Unternehmens. Die Insolvenz der Ehefrau resultiert ihrerseits aus einer von ihr gegenüber den Kreditgebern des Unternehmens des Ehemannes eingegangenen Mithaftung. Die Ehefrau selbst erzielt Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit, während der Ehemann nach eigenem Vorbringen erst ab 2012 positive Einkünfte aus Gewerbetrieb erzielt, vor der Verrechnung derselben mit dem verbliebenen Verlustvortrag.
Bis einschließlich des Veranlagungszeitraumes 2008 führten die Ehegatten eine Zusammenveranlagung durch. Für den Veranlagungszeitraum 2009 wurde durch das Finanzamt zunächst ebenfalls die Zusammenveranlagung durchgeführt, was zu einer Steuererstattung von rund 11.711 Euro geführt hätte. In steuerrechtlich zulässiger Weise übte die Ehefrau für den Veranlagungszeitraum 2009 nachträglich das Wahlrecht auf getrennte Veranlagung aus, was zu einem in die Insolvenzmasse der Ehefrau geflossenem Steuererstattungsanspruch der Ehefrau von rund 1.507 Euro führte.
Für den Veranlagungszeitraum 2010 führten die Ehegatten ebenfalls die getrennte Veranla-gung durch. Der Ehefrau entstand dabei ein der Insolvenzmasse zugeflossener Steuererstat-tungsanspruch von rund 1.587 Euro. Da die Veranlagung der Ehegatten für den Veranlagungszeitraum 2010 noch offen war, verlangte die Treuhänderin über das Vermögen der Ehefrau, nachdem die Gläubigerversammlung sie dazu am 29.09.2012 beauftragt hatte, von dem Ehemann die Zustimmung zur Zusammenveranlagung ohne Nachteilsausgleich. Aufgrund des in der Zusammenveranlagung nutzbaren Verlustvortrages des Ehemannes hätte sich für den Veranlagungszeitraum 2010 der Steuererstattungsanspruch um ca. 10.000 Euro erhöht.
Die Antragstellerin (Treuhänderin) ist der Auffassung, der Antragsgegner (Ehemann) müsse der Zusammenveranlagung für den Veranlagungszeitraum 2010 ohne Nachteilsausgleich zustimmen und der Steuererstattungsanspruch von insgesamt rund 11.587 Euro stehe der Masse zu. Der Antragsgegner ist der Auffassung, er müsse nicht ohne Nachteilsausgleich seinen verrechenbaren Verlustvortrag aus dem Veranlagungszeitraum vor 2010 für den Veranlagungszeitraum 2010 zur Verfügung stellen, denn mindestens ab dem Veranlagungszeitraum 2012 verfüge er über eigene positive Einkünfte, mit denen er den Verlustvortrag verrechnen könne.
Das Amtsgericht – Familiengericht – hat dem Antrag der Treuhänderin stattgegeben. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das OLG Schleswig den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und den Antrag zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wurde vom Oberlandesgericht zugelassen.
Das Oberlandesgericht bejaht zunächst zutreffend die Aktivlegitimation der Treuhänderin gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO, denn mit der Eröffnung des Ver-fahrens steht das Veranlagungswahlrecht nach § 26 EStG dem Verwalter zu (BGH, Urt. v. 24.05.2007 – IX ZR 8/06 – FamRZ 2007, 1320).
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH gehört es zu den Verpflichtungen der Ehegatten nach § 1353 Abs. 1 BGB in eine von dem anderen gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommenssteuer einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird (BGH, Urt. v. 25.06.2003 – XII ZR 161/01 – FamRZ 2003,1454; BGH, Urt. v. 18.11.2009 – XII ZR 173/06 – FamRZ 2010, 269; BGH, Urt. v. 18.11.2010 – IX ZR 240/07 – FamRZ 2011, 210). Das OLG Schleswig sieht in dem Verlust des vortragsfähi-gen Verlustes des Ehemannes, also der Verrechnung mit seinen zu erwartenden positiven Einkünften ab dem Veranlagungszeitraum 2012 (§§ 2 Abs. 4, 10d Abs. 2 EStG), einen steuerlichen Nachteil.
Unter Berufung auf die weitere Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 18.11.2009 – XII ZR 173/06 – FamRZ 2010, 269 und Urt. v. 18.05.2011 – XII ZR 67/09 – FamRZ 2012, 357) ist das Oberlandesgericht der Auffassung, dass ein Nachteilsausgleich dann nicht erforderlich ist, wenn der andere Ehegatte eine etwaige zusätzliche steuerliche Belastung im Innenverhältnis der Ehegatten nach der tatsächlichen Gestaltung im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft allein zu tragen hat und deshalb möglicherweise keinen Nachteilsausgleich verlangen kann. Die Ehegatten seien dabei zunächst nicht an eine frühere Wahl gebunden. Die Nutzung des Verlustvortrages würde während des Insolvenzverfahrens der Ehefrau zudem nicht dem Familienunterhalt und damit der ehelichen Lebensgemeinschaft zugutekommen, sondern die Steuererstattungen würden in die Insolvenzmasse der Ehefrau fallen und deren Gläubigern zugutekommen. Aus § 1353 Abs. 1 BGB folge daher keine Verpflichtung des Ehemannes, den vortragsfähigen Verlust über die Zusammenveranlagung zur Verfügung zu stellen.
Eine solche Verpflichtung des Ehemannes folge auch nicht aus § 1353 Abs. 1 BGB i.V.m. § 287 Abs. 2 InsO. Die Restschuldbefreiung der Ehefrau hänge nicht von der Zurverfügungstellung des Verlustvortrages ab. Steuererstattungen sind nicht Arbeitseinkommen, weswegen sie nicht unter die Abtretung der laufenden Bezüge nach § 287 Abs. 2 InsO fallen (BFH, Be-schl. v. 29.01.2010 – VII B 188/09 – ZInsO 2010, 768; BGH, Urt. v. 21.07.2005 – IX ZR 115/04 – NZI 2005, 565).
Zumindest im Innenverhältnis sei darüber hinaus zu berücksichtigen, dass auch bei einer Zusammenveranlagung der Grundsatz der Individualbesteuerung (§ 26b EStG) gelte und damit der Verlustvortrag personenbezogen sei, also bei denjenigen Einkünften des Ehegatten abzuziehen sei, bei dem sie entstanden sind.
Für die Annahme einer Zustimmungspflicht aus Treu und Glauben oder anderen, über die Verwirklichung der ehelichen Gemeinschaft hinausgehende Vereinbarungen der Ehegatten (vgl. dazu BGH, Urt. v. 25.06.2003 – XII ZR 161/01 – FamRZ 2003, 1454) lägen keine Anhaltspunkte vor.
Mit diesem Beschluss hat erstmalig ein Oberlandesgericht entschieden, dass einem Insolvenzverwalter kein Anspruch auf Zustimmung zu einer steuerlichen Zusammenveranlagung zusteht.
Sollte ein Ehegatte beabsichtigen, einen Insolvenzantrag über sein Vermögen zu stellen, sollte sofort geprüft werden, ob eine getrennte Veranlagung beantragt werden kann. Gerne berate ich Sie hierzu.
Quelle: OLG Schleswig, Beschluss vom 23.05.2014, Az. 10 UF 63/13
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