Abgeltungssteuer: Kein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten bei Günstigerprüfung: Der BFH hat entschieden, dass § 20 Abs 9 EStG auch bei der “Günstigerprüfung” nach § 32d Abs 6 Satz 1 EStG Anwendung findet und daher ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten nicht in Betracht kommt.
Der Kläger war testamentarischer Alleinerbe der im September 2010 verstorbenen A. Im Streitjahr 2009 lebte die über 90 Jahre alte A in einem Pflegeheim und hatte neben Renteneinkünften aufgrund einer atypischen Zusammenballung Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 30.238 Euro. Aufgrund eines Treuhandvertrages mit dem Kläger, der ihr Vermögen verwaltete und sie betreute, hatte die A an den Kläger im Jahr 2009 eine Vergütung von ca. 10.650 Euro gezahlt, die – abzüglich eines vom Finanzamt als außergewöhnliche Belastung berücksichtigten Teilbetrages von 3.549 Euro – als Werbungskosten bei Ermittlung der Kapitaleinkünfte geltend gemacht wurde. Da der Steuersatz der A deutlich unter dem Abgeltungsteuersatz von 25% lag, berief sich der Kläger auf die sog. Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG und begehrte – gegen den Wortlaut des § 20 Abs. 9 EStG – den vollen Werbungskostenabzug.
Das FG Stuttgart hat seiner Klage stattgegeben.
Der BFH hat indes die Rechtsauffassung des Finanzamts bestätigt und das Urteil der Vorinstanz aufgehoben. Zwar kommt nach Auffassung des BFH bei der sog. Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nicht der für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich anzuwendende Abgeltungsteuersatz von 25% zur Anwendung, sondern der (niedrigere) progressive Regelsteuersatz. Die Ermittlung der Kapitaleinkünfte sei indes auch bei der Günstigerprüfung nach § 20 EStG vorzunehmen¸ damit finde auch im Falle der Günstigerprüfung das Verbot des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten (§ 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG) Anwendung. Der Abzug bleibe im Urteilsfall damit auf den sog. Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro beschränkt.
Sowohl § 32d Abs. 6 EStG als auch das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 20 Abs. 9 EStG hielten verfassungsrechtlichen Anforderungen stand (vgl. dazu BFH, Urt. v. 01.07.2014 – VIII R 53/12). Die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG sei vornehmlich als Billigkeitsmaßnahme zu verstehen, mit der Steuerpflichtige, deren Steuersatz noch niedriger liegt als 25%, eine weitere Begünstigung erfahren. Diese solle aber nicht dazu führen, dass die derart Begünstigten vollumfänglich aus dem System der Abgeltungsteuer ausscheiden. Ob es sich hier um einen atypischen Extremfall handelt, für den eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO in Betracht zu ziehen ist, hatte der BFH nicht zu entscheiden. Er weist jedoch darauf hin, dass es keinen Anspruch auf “Meistbegünstigung” selbst gewählter Gestaltungen gibt.
Entsprechend hat der BFH auch in einem ähnlich gelagerten Fall (Urt. v. 02.12.2014 – VIII R 34/13) entschieden.
Quelle: BFH, Urteil vom 28.01.2015, Az. VIII R 13/13